From the deep
case
from all
abandoned
is there
in its own
ruin
only the
own
stench
oneself
to inherit
Sie heissen Velibra, Deprexis oder – wie eine nette Nachbarin – Sophie. Es sind digitale Psychotherapeuten, die man ganz praktisch als App aufs Handy oder auf den Computer laden kann. Wer mit Sophie und Co. seine Probleme erörtert, unterhält sich allerdings nicht mit einem Menschen, sondern mit einer Software.
Klar, diese Programme wurden von menschlichen Psychotherapeuten und Experten entwickelt und inzwischen auch in über hundert Studien von Wissenschaftlern auf ihre Wirkung und Wirksamkeit getestet. «Bei Menschen, die sich vorstellen können, online und relativ selbstständig an sich zu arbeiten, haben sich entsprechende Programme wiederholt als wirksam erwiesen – ähnlich wirksam wie persönliche Gespräche mit einem Psychotherapeuten», sagt Thomas Berger. Er ist Psychologieprofessor an der Universität Bern und forscht seit über zehn Jahren auf dem Gebiet der Onlinepsychotherapie. Er und sein Team haben Sophie entwickelt.
Mitfühlende Software
Erzählt man jedoch im Bekanntenkreis von Sophie und Co., heisst es oft: Ach was, ein Computerprogramm soll bei Depressionen helfen? Viele glauben, ihre intimen Probleme lieber mit einem Menschen besprechen zu wollen. Oder sie fragen sich grundsätzlich: Wie funktioniert das überhaupt?
Wie ein digitaler Psychotherapeut aufgebaut ist, wie es sich anfühlt, sich mit ihm zu unterhalten, hat diese Zeitung ausprobiert. Die Uni Bern hat uns dafür die von einem deutschen Team entwickelte App Velibra zur Verfügung gestellt. Sie therapiert Angststörungen.
Onlineprogramme können wirksam sein wie Sitzungen bei Psychologen.
Nach der Registrierung gehts freundlich los: Velibra stellt sich als Ansprechperson vor. Sie freue sich auf unser Gespräch, schreibt sie und fragt: «Was führt Sie heute zu mir?» Im Erstgespräch, das rund eine Stunde dauert, versucht die Software wie ein Psychotherapeut aus Fleisch und Blut, das Angstproblem zu erörtern. Der User hat dabei immer mehrere, teils sehr gegensätzliche Antwortmöglichkeiten, von denen aber eine immer relativ gut zutrifft. Klickt er sie an, nimmt Velibra sein Anliegen auf und fragt entsprechend weiter nach. Zum Beispiel: «Wie würden Menschen, die Ihnen nahestehen, Sie einschätzen?» Sie spricht dem User Mut zu: «Sie sind nicht allein!» Sie fragt, ob das Gespräch mit ihr nicht zu anstrengend sei, und rät: «Sie können jederzeit Pausen einlegen, wenn es Ihnen zu viel ist.»
App-Training gegen Angst
Velibra hat sogar Verständnis, wenn man mit ihr als Psychotherapeutin Mühe hat. Eine Antwortmöglichkeit, die sie während des Erstgesprächs anbietet, lautet etwa: «Meine Probleme mit dem Computer zu besprechen, finde ich irgendwie merkwürdig.» Klickt man diese Antwort an, nimmt Velibra die Kritik ernst: «Das kann ich sehr gut nachvollziehen», schreibt sie. «Sie wissen ja noch nicht, was auf Sie zukommt.» Als Velibra nach einer Stunde intensiven Dialogs vermeldet, «jetzt habe ich eine gute Vorstellung davon, warum Sie hier sind und wie ich Ihnen helfen kann», glaubt man es ihr gern.
Es ist verblüffend, wie schnell man sich mit einem Onlineprogramm wohl fühlt und ihm sogar zutraut, dass es einem bei einem psychischen Problem helfen kann. Mit der Zeit vergisst man fast, dass Velibra «nur» eine Software ist. Sie verhält sich wie eine echte Therapeutin, weil sie Sorgen und Zweifel ernst nimmt, weil sie Mitgefühl zeigt, weil sie einem Interesse und Aufmerksamkeit schenkt. Kurzum: Sie versteht ihren User. Und sie kümmert sich um ihn.
Das ist geeignet für Menschen mit Hemmungen, einen Therapeuten aufzusuchen.
«Aus verschiedenen Studien wissen wir, dass auch zu einem Programm eine Art Beziehung aufgebaut wird», sagt Psychologe Thomas Berger von der Uni Bern. Je besser die Beziehung zwischen dem User und dem Programm sei, desto wirksamer sei auch die Therapie – genau gleich wie bei Face-to-Face-Psychotherapien. Wie Verhaltenstherapien folgen Velibra, Deprexis oder Sophie in ihrem Aufbau einem relativ standardisierten Vorgehen. Sprich: Wenn der Psychotherapeut individuelle Gespräche in seiner Praxis führt, hält auch er sich bei der Bearbeitung von Angststörungen und Depressionen an ein erprobtes Vorgehen. Berger gibt allerdings zu bedenken, dass Onlineprogramme und Apps vor allem «als eine therapeutische Hilfe zur Selbsthilfe» zu verstehen sind – und diese haben sich gerade bei Angststörungen als sehr wirksam erwiesen.
Bergers positive Studienergebnisse bestätigt auch App-Userin Barbara *, die anonym bleiben möchte. Die 37-jährige Marketingexpertin hat mit Sophie ihre soziale Ängstlichkeit therapiert – in acht Wochen. «Ich habe genau das erreicht, was ich mir erhofft hatte», sagt Barbara. «Ich konnte gezielt Angstsituationen angehen und mir in diesen Situationen selber helfen.»
Angstfrei in acht Wochen
Sophie ist tatsächlich eine Art achtwöchiges Selbstmanagementtraining. Der User lernt mit der App Schritt für Schritt, wie er automatische Angstgedanken erkennt, er übt mit Audio- oder Videodateien Entspannungstechniken ein, er trainiert, wie er bestimmte Situationen, die in ihm Angst auslösen, bewältigen kann. Barbara zum Beispiel hatte Angst, vor vielen Menschen zu sprechen. Auch die Treffen mit ihrer Chorgruppe lösten in ihr Unbehagen aus, weil sie schlecht auf Menschen zugehen konnte und fürchtete, in der Gruppe «einsam stehen gelassen zu werden».
Im Training mit Sophie hat Barbara gelernt, ihre Angst realistisch einzuschätzen und durch verschiedene Entspannungsmethoden zu minimieren. «Es sind Techniken, die man in ganz konkreten Situationen anwenden kann», sagt Barbara. Besonders hilfreich fand Barbara auch den wissenschaftlichen Teil des Trainings, in dem Hintergründe zur Angst- und Hirnforschung nachgelesen werden können. «Psychoedukation» heisst das Vermitteln von psychologischem Wissen im Fachjargon.
Die Sophie-App hat Barbara ausserdem motiviert, ihre Ängste und Gedanken in einem Onlinetagebuch festzuhalten und sich immer wieder Zeit zu nehmen, darüber zu reflektieren. Gegen Schluss des Trainings hat Barbara nach Anleitung von Sophie bewusst Angstsituationen aufgesucht und versucht, das Gelernte anzuwenden. Mit Erfolg: Heute kann Barbara Vorträge halten, der Kontakt mit Menschen stresst sie kaum noch, wie sie sagt.
Mobile Therapie
Doch ganz ohne menschliche Hilfe schafft auch Sophie die Therapie nicht. Das Therapietraining wird im Hintergrund von Psychologen begleitet und überwacht. Sie können mitlesen, welche Fortschritte die User machen oder was diese ins Tagebuch eintragen, und geben in regelmässigen Abständen Feedback via integrierten Chatdienst. «Das war für mich wichtig, damit ich weiss, dass ich auf dem richtigen Weg bin», sagt Barbara.
Aber wieso geht man dann nicht gleich zu einem Therapeuten? «Einer der grossen Vorteile von Onlineprogrammen ist, dass sie auch Menschen nutzen, die Hemmungen haben, einen Therapeuten aufzusuchen», sagt Psychologe Thomas Berger. Heute noch würden sich viele schämen, zudem sei es für Arbeitende schwierig, regelmässig einen Termin wahrzunehmen. Barbara zum Beispiel hat ihre «Sitzungen» mit der Sophie-App auch in öffentlichen Verkehrsmitteln absolviert oder «in aller Ruhe am Abend oder einfach dann, wann ich Lust hatte». Es sei auch so, betont Berger, dass sich die User von Onlineprogrammen schneller öffnen und zum Kern ihres Problems vordringen als Menschen, die ihre Probleme einem Therapeuten erzählen. «Die Hemmschwelle gegenüber einem Programm ist niedriger.»
«In Zukunft wird es normal sein, dass Psychotherapeuten einige Aufgaben an Apps und Onlineprogramme delegieren»: Psychologieprofessor Thomas Berger. Foto: Uni Bern
Als Psychologe sieht Berger jedoch klar die Grenzen von Programmen wie Sophie. «In akuten Krisensituationen oder bei Erkrankungen wie schweren Depressionen sind sie nicht zu empfehlen.» Zudem sei es mit einem Programm leichter möglich, «schwierige Themen zu vermeiden oder gar zu verheimlichen», als bei persönlichen Therapiesitzungen mit einer Fachperson. «Und natürlich können Onlineprogramme nicht so individuell auf die Probleme eingehen, wie Psychotherapeuten das tun.»
Seriöse Onlineangebote
Die grösste Gefahr für User ist jedoch die derzeit fehlende Qualitätszertifizierung der vielen Angebote, die man im Internet findet. «Für Laien ist es praktisch unmöglich, wissenschaftlich untersuchte Anwendungen von unseriösen Produkten zu unterscheiden», moniert der 44-Jährige. Er rät deshalb, vor allem auf Angebote von Universitäten zurückzugreifen.
Letztere gehören in der Schweiz aktuell zu den wenigen Institutionen, die wissenschaftlich geprüfte Onlineprogramme anbieten. Interessierte können Sophie und Co. allerdings nur als Teilnehmer von Studien nutzen. «Das liegt daran, dass Onlinetherapie noch nicht in die Routineversorgung implementiert ist und die Kosten nicht von den Krankenkassen übernommen werden», sagt Berger. Von den grossen Krankenkassen bietet derzeit nur die Sanitas in ihrer Zusatzversicherung Onlineprogramme wie Velibra an.
Niedrige Kosten
Im Ausland ist man in diesem Bereich deutlich weiter. In den Niederlanden, in Australien oder Schweden werden bestimmte Onlinetherapien durch Krankenkassen oder vom Staat bezahlt. «In der Internetpsychiatrie am Karolinska-Institut in Stockholm können Patienten zum Beispiel frei wählen, ob sie lieber online oder Face to Face behandelt werden möchten», erzählt Berger. Bereits die Hälfte der Patienten entscheidet sich für die Onlinevariante. «In den Niederlanden sind psychiatrische Kliniken ab 2017 gesetzlich verpflichtet, mindestens ein Drittel der Therapien mit Onlineprogrammen zu ergänzen», doppelt Berger nach.
Das liegt allerdings nicht nur an der erwiesenen Wirksamkeit. Ein gewichtiges Argument sind die tiefen Kosten. Ein achtwöchiges Onlinetrainingsprogramm ist um einiges günstiger als vergleichbar viele Sitzungen beim Psychotherapeuten. Schon deshalb könnten Onlinetherapien bald auch in der Schweiz zum Standardangebot von Krankenkassen gehören.
Vielversprechende Zukunft
Keine Frage, das digitale Zeitalter hat den sensiblen Bereich der Psychotherapie erreicht. «Ich denke, dass es in Zukunft zur Normalität gehören wird, dass Psychotherapeuten einige Aufgaben an Apps und Onlineprogramme delegieren», sagt Thomas Berger.
Patienten werden vielleicht einige Fragestellungen zu Hause bearbeiten und mit Apps selber lernen, die Therapeuten werden dann in persönlichen Gesprächen darauf aufbauen. «Vielleicht werden Therapeuten mit ihren Patienten zwischendurch nur online kommunizieren», spinnt Berger seine Gedanken weiter.
Und irgendwann werden sie dann komplett durch intelligente Psychotherapie-Software ersetzt? Berger schmunzelt. «Onlineprogramme und Apps, seien sie noch so intelligent, werden die klassische Psychotherapie nicht ersetzen. Aber sie werden sie sicher ergänzen.»
* Name der Redaktion bekannt.