Sonntag, 23. Oktober 2022

in einer Gallerie

Die Hausfrau

hat von

ihrem Verehrer

wunderbare

Bilder im Breitformat

mit anderen

in der Wohnung

ausgestellt


Besucher 

kommen zur

Schau 

gleich einer

Ausstellung in

einer Gallerie


nicht um die

Bilder 

sondern

einen Partner

oder in Gemeinsamkeit

zu finden

für den Begehr


der Hausmann

kümmert sich

um zwei Kinder

in seinen Armen


eines davon

sagt ihm ins

Gesicht 

es ist noch klein

du mein

Freund 


er schwebt

mit den Kindern

durch Stube

über dem

erdhaften

Geschehen

niemand 

schaut um




aller Art

Stiftungsväter -

Mütter aller

Art werden

in der Aula 

mit dem Vortrag

über ihr

Leitbild erwartet


ein junge Frau

mit Einschränkungen 

die Tochter

des Präsidenten

redet schieläugig 

dahin 


ein anderer

mit einer 

Beeinträchtigung

will die Zuhörer 

in der Schräge

aufreihend

auf den Auftakt 

vorbereiten


ein Untergebener

hat sich 

ohne Einladung

gut gekleidet

auf den hinteren

Bänken hingesetzt


er merkt nicht

dass seine Zigarette

an einem

Mundstück 

noch brennt


drückt sie aus

er will sie 

mit verdorrtem

Reisig von 

der Diele 

säubern 


nebenan wird

von anderen

gesagt

das Aufräumen

werden demnächst

beginnen


er merkt 

dass er 

der Obrigkeit 

nicht genehm ist


er verlässt 

den Saal 

durch den

Haupteingang

er weiss

nicht was

er als nächstes

zu tun hat





Gesten

der Not

Stimmung
der Not
ein Nebelmeer
ohne Ansprache
Gesten
tödlichem
Schweigens

ermächtigen

Der Hass

Der Hass
keimt auf
noch ohne
Worte
die Freude
sich gegen
andere zu
ermächtigen

im Licht

der Winter
schwarzer
Nacht
das Universum
im Licht
der Sterne
innen

zur Untat

das eigene Urteil
zur Untat
über sich selbst
die unteilbare
Menschenwürde
gilt uns allen


vortrefflich

Bildung

Durch das
aufgeben
des Eigensinns
wird die
eigene Bildung
vortrefflich

Jochen Teuffel

Albrecht Goes, Begegnung mit Gerhard Tersteegen: „Der Mystiker schließt betend, medi­tierend die Augen; aber er ist nicht blind. Er glaubt. Er ist da. „Wer glaubt, der fliehet nicht“, steht bei Jesaja. Das ist – ohne Bild, ohne Lebensgeschichte – Tersteegens Biographie.“
Begegnung mit Tersteegen

Von Albrecht Goes
Ich sehe das Kirchenlied vor mir wie eine große Land­schaft der Schwäbischen Alb, ein weit gebreitetes Land mit drei aufragenden Gipfeln. Ich nenne sie die vox ecclesiae, die vox humana und die vox spiritualis.

Die vox ecclesiae: das ist Luther der Katechismus, das Glaubensbekenntnis, spröde und streng, es ist die Gegen­wart der uns wieder neu geschenkten Wartburg, „Ein feste Burg“, angereichert durch die großen lutherischen Liebes­augenblicke, das Kinderlied „Vom Himmel hoch“ oder das „Die beste Zeit im Jahr ist mein“; es sind die großen Ein­zelerscheinungen seines Jahrhunderts, die wir kennen, Martin Schalling mit seinem „Herzlich lieb hab ich dich“, von dem wunderbaren Philipp Nicolai, der mit zwei Lie­dern sich in das Ewige Textbuch der Kirche eingeschrieben hat, mit Wort und Tat zugleich, „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ und mit „Wachet auf, ruft uns die Stimme“.

Für den zweiten Gipfel, die vox humana, steht der eine Paul Gerhardt, mit dem die Christenheit seit dreihundert­fünfzig Jahren ihr Kirchenjahr begeht, ihre Feste feiert, Weihnachten, Ostern, Pfingsten, ihren Erdentag in Freude und Leid, ihre Lebensjahre, ihre Abschiede, ihre Sommer­zeit, ihren Tod.
Und nun also der dritte Gipfel; er könnte mehr als einen Namen tragen, die Brüdergemeinede des Grafen Zinzendorf ist zu nennen, und mancher in seiner Nähe; aber ich beschränke mich auf die Stimme des Gerhard Tersteegen.

Dieser einfache Bandweber aus Moers, der in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gelebt hat, 1699 – 1768, also hundert Jahre nach Gerhardt, ist, was Leben und Werk betrifft, nur mit wenigen zarten Linien vorzustellen: er war ein gescheiter junger Mann aus einfachen Verhältnissen kommend, besuchte das Gymnasium seiner Heimatstadt, mußte sich ohne viel Glück in einer Kaufmannslehre ver­suchen, wurde Weber, genauer Bandweber, und führte ein asketisches, fleißiges Leben. Seine gründliche Bibelkennt­nis, seine Teilnahme an den reformierten Gottesdiensten nahm man wahr, seine frühe Entschiedenheit, in aller Sammlung einfach „fromm“ zu sein; in Christus verbor­gen zu sein.
Es gab am Gründonnerstag 1724 ein besonderes Datum in seinem sonst unauffälligen Leben. Er schrieb an diesem Tag … mit dem eigenen Blut … einen Brief der Lebens­übergabe, in dem er sich mit allem Leben und Sein Jesus übergab. Die Geschichte kennt aus Pascals Leben das so berühmt gewordene Memorial, in dem einer sein Leben setzt in die Nachfolge – „nicht dem Gott der Philosophen, sondern dem Gott Abrahams, dem Vater Jesu Christi“.

Von diesem Gründonnerstag her ist der ganze Tersteegen zu verstehen, wobei zwei Komponenten ganz wesent­lich sind: die eine ist das absolute Herausgenommensein aus allen sonstigen Lebensverbindungen, weder Wirtschafts- noch Erwerbssinn, weder Ehe und Familie, Welt­interesse haben Bedeutung; das andere, – wichtig genug dies -: es ist diese völlige Konzentration des „Mache mich einfältig, innig abgeschieden“, etwas ganz Unfanatisches, Unschwärmerisches, Unekstatisches … „Wir entsagen wil­lig allen Eitelkeiten …“
Es fand sich, daß er, ohne in ein Amt zu kommen, ein Laienprediger wurde und sich in dieser Aufgabe ein Leben lang zu bewähren wußte. In Schwaben würde man ihn einen „Stundenbruder“ geheißen haben.
Ich glaube, ihn vor mir zu sehen, obwohl wir kein Bild von ihm kennen, und auch dieser Verzicht auf das Bild – der reformierten Tradition getreu – ist wichtig. „Um einen Tersteegen von innen bittend“: leibarm gewiß und nicht geistreich, wohl aber seelenreich.
Er brachte große Gaben mit, verstand sich auf die Spra­che der theologischen Bildung, auch auf das Hebräische, er hielt nicht viel von der Weltbildung der Scribenten, mit denen Gerhardt z.B. ganz heiter-gelöst Umgang haben konnte, – aber er war zugleich gründlich gebildet und nützte seine Gaben. Wir müssen ihn in zwei Bereichen ansiedeln: er war ein sehr gesuchter Laienprediger, zu dessen Bibel­auslegungen in kleinen Wohnungen, etwa der eigenen, alles Volk drängte, und er war ein weithin wirkender Briefschreiber; vier, fünf Briefe, heißt es, habe er Tag für Tag zur Post gegeben, und die Adressaten konnten in Rußland, oder Amerika sein. Als 1812 russische Soldaten an den Niederrhein kamen, fragten sie: „Wo ist Tersteegens Grab?“
In Jahr und Tag widmete er seine Kraft der Beschrei­bung einer ganz individualistischen Kirchengeschichte, auserlesene Lebensbeschreibungen „heiliger Seelen“, erheiternderweise von vorwiegend katholischen Gläubi­gen … ich vermute, daß ihm die konfessionelle Distanz ausdrücklich lieb war.
Früh, er war 1729 gerade dreißig Jahre alt, erschien ein „Geistliches Blumengärtlein“, das im Gang des Lebens in immer neuen Auflagen und Bearbeitungen erscheinen konnte, Verse ohne Zahl, hundertfache Variationen auf den Ton jenes durch besondere Umstände berühmt gewor­denen Liedes „Ich bete an die Macht der Liebe, die sich in Jesus offenbart“.
Die besonderen Umstände waren, daß gerade dieses Lied durch eine besonders gefühlvoll einprägsame Melo­die in das militärische Zeremoniell des militärischen Zapfenstreichs Eingang fand und mit dem „Helm ab zum Gebet!“ bis in unsere Zeit hinein präsent geblieben ist, ein Tersteegen for ever, von dem der schlichte Mann nichts wußte.
Wer sich auf das „Blumengärtlein“ einläßt, macht eine Überraschung, über die sich in den letzten zweihundert­fünfzig Jahren mit Recht unzählige Leser gewundert haben: man kann acht oder zehn Verse der Seelenkunde, der mystischen Versenkung der Seele, lesen, ohne beson­dere Bewegung… Plötzlich liest man dies: „Ins Heiligtum, / ins Dunkle kehr’ ich ein, / Herr, rede du, / laß mich ganz stille sein.“
Und liest: „Ein Tag, der sagt dem andern, / mein Leben sei ein Wandern / zur großen Ewigkeit.“
Und liest: „Du durchdringst alles; / laß dein schönstes Lichte, / Herr, berühren mein Gesichte.“
Und liest: „Kommt, Kinder, laßt uns gehen, / der Abend kommt herbei; / es ist gefährlich stehen in dieser Wüstenei.“
Und liest, und liest und schweigt und sinnt: „Was ist das?“
Aber das ist ja vollkommen schön, das ist ja ein vom Himmel gefallenes Gedicht …
Trügen wir die Gesangbücher unserer Landeskirchen aus den letzten zwei Jahrhunderten, die evangelischen und die katholischen, zusammen, fänden wir uns in einer ganz einzigartigen Innigkeit vereint in der vox spiritualis von zehn, zwölf Tersteegenliedern; sie sind, was jedes große Gedicht ist, Wunder, wie vom Himmel gefallen, durch nichts und durch niemanden zu erklären, sie sind da, wie eben die Glücksaugenblicke in der Welt da sind.
Tersteegen hat, wenn ich es recht sehe, einen Vorgänger und einen eigenartigen Nachfahren, dazu einen Nachbarn aus einer verwandten Disziplin.
Der Vorgänger, ist jener Johann Scheffler, der unter dem Namen Angelus Silesius in die Welt gekommen ist, dessen Zweizeiler fast ebenso berühmt sind wie Tersteegens Lie­der: „Freund, so du etwas bist, so bleib doch ja nicht stehn. / Man muß zu einem Licht fort in das andre gehn.“
Das ist ein Jahrhundert vor Tersteegen geschrieben wor­den. Oder dies: „Mensch, werde wesentlich; denn wenn die Welt vergeht, / so fällt der Zufall weg, das Wesen, das besteht.“
Der Nachfahr freilich ist ein merkwürdiger Bauer, der zwischen 1835 und 1918 in Schwaben gelebt hat; man hat ihn vor 100 Jahren entdeckt und dann wieder vergessen, und vor zwanzig Jahren wieder entdeckt und wird ihn wohl nun nicht wieder vergessen. Von dem Bauern Chri­stian Wagner gibt es ein paar Versbände, die auch Blumengärtlein heißen könnten, und die viel dilettantische Versuche enthalten wie im Blumengärtlein Tersteegens; aber plötz­lich findet man ein Gedicht über die Anemonen, die Kar­woche oder über den „Blühenden Kirschbaum“, Verse, die so schön sind, daß Eichendorff oder Goethe nur sagen könnten „Leider nicht von mir!“. Christian Wagner war wie Tersteegen ein reiner Autodidakt.
Der Nachbar, von dem ich sprach, ist kein Poet, sondern ein Musikmeister; wenn in der 147. Kantate plötzlich alle barocke Herrlichkeit sich ausgesungen hat, beginnen zwei­mal einfältige Choralstrophen und die Melodiebegleitung hat eine unvergleichliche Einfalt, es ist wirklich der Tersteegenton, der nun vom Chor und von den Instrumenten gewagt wird; es ist die vox spiritualis höchster Observanz, und ihr Meister heißt Johann Sebastian Bach. „Jesus blei­bet meine Freude“ – man hört den Schlußchoral des herr­lichen Werkes und weiß: Tersteegen sitzt auf der Bank neben uns.
In späteren Jahren wurde er, ohne mehr als ein ernst­haftes Allein-Studium einzubringen etwas wie ein ge­schätzter, gesuchter Armenarzt; er tat nichts ganz Beson­deres, aber er tat das ihm Gebotene, kundig und mit wirk­lichem Gewinn für seine Umwelt … Liebe ich ihn – und ich liebe ihn! -, so lieb ich in ihm einen, der Jesu Gegen­wart in der Welt – ganz ohne Pathos, ganz ohne Dogma­tik wahr sein ließ. Der Mystiker schließt betend, medi­tierend die Augen; aber er ist nicht blind. Er glaubt. Er ist da. „Wer glaubt, der fliehet nicht“, steht bei Jesaja. Das ist – ohne Bild, ohne Lebensgeschichte – Tersteegens Biographie.
Das Wunder des Gedichts: ich versuche, durch eine Tersteegen-Strophe deutlich zu machen, daß es inkommensu­rabel ist, unerfindlich, unwirklich.
Es sind acht Zeilen, die zweite Strophe eines Gedichts, das Tersteegen „Andacht bei nächtlichem Wachen“ genannt hat und das, seit es in der Welt ist, viele tausend Menschen in den Schlaf begleitet hat:
„Nun schläfet man;
und wer nicht schlafen kann,
der bete mit mir an
den großen Namen,
dem Tag und Nacht
wird von der Himmelswacht
Preis, Lob und Ehr gebracht:
o Jesu, Amen.
Weg, Phantasie!
Mein Herr und Gott ist hie;
du schläfst, mein Wächter, nie,
dir will ich wachen.
Ich liebe dich,
ich geb zum Opfer mich
und lasse ewiglich
dich mit mir machen.
Es leuchte dir
der Himmelslichter Zier;
ich sei dein Sternlein, hier
und dort zu funkeln.
Nun kehr ich ein,
Herr, rede du allein
beim tiefsten Stillesein
zu mir im Dunkeln.“
Ich glaube, ihn zu sehen: auf seiner Liege in Moers, von den hundert Briefen des Tages bedrängt, aber doch in sei­nem Credo, das heißt in Jesus geborgen.
Nun murmelt er drei Reimzeilen, wie sie auch ein Scholar erfinden könnte, wirklich nichts Besonderes: aber bei dem „Weg, Phantasie!“ wird doch eine Gefahrwelt ver­scheucht und eine Geborgenheitswelt wird nahegebracht. „Mein Herr und Gott ist hie“.
Und dann sind sie beisammen, wachend beide: „du schläfst, mein Wächter, nie / dir will ich wachen“.
Und mit dem weiblichen Reim „wachen“ wird eine kleine Tür aufgehen, und die steht noch offen bis zur ach­ten Zeile. Es ist wie Atemanhalten und Ausatmen, wie Zögern und Befreien: „und lasse ewiglich / dich mit mir machen“.
Tersteegen dachte nicht an die Dichtkunst. Gerhardt hatte einst in den Universitäten die Dichtkunst gelernt, und die Dichter des evangelischen Kirchenlieds haben ihr Metier verstanden.
Mich hat, spät im eigenen Leben, dieser eine Tersteegen durch viele Wochen nicht losgelassen: ich seh ihn nicht, aber ich glaube, ihn zu verstehen.
Er sah sich und seine Kunst nicht an. Er wird, ohne viel Aufhebens zu machen, das Blatt, auf dem diese „Andacht bei nächtlichem Wachen“ stand, zu anderen Blättern gelegt haben, und manches an diesen Liedern ist zeitge­bundenes Wort und darum vergangen mit der Zeit. Aber diese Strophe, das ganze Lied zählen wir, ohne einen Augenblick zu zögern, zu den großen Gedichten unserer Sprache. Es atmet vollendete Unschuld, so wurde ihm die Unschuld der Vollendung zuteil.
Quelle: Albrecht Goes, Dunkle Tür, angelehnt. Gedanken an der Grenze des Lebens, Eschbach: Verlag am Eschbach, 1997, S. 130-137. 

Der Seele gilt der Gehorsam
im Traum und am Tag
wenn Sie uns den Spiegel vorsetzt 

durch den Traum 
zur täglichen Einsicht

am Tag
uns zur Erinnerung
dem vergangenen Tun und Lassen
quer durch die eigene Gedankenwelt


just a moment

we all fall
we want completion
to every breath

that you are and remain
between the span
from here and there

someone else's me
his shape
may touch us
shake invigorate

if the other
finally falls
he lets us
with sadness
back filled with pain

on the last way
on which we finally fall

our life
is mother earth
a blink of an eye
an instant
just a moment

*

Wir fallen alle
wir wollen die Vollendung
zu jedem Atemzug

das Du ist und bleibt
zwischen der Spanne
von da und dort

das ich eines anderen
seine Gestalt 
mag uns berühren
erschüttern beleben

wenn der andere 
endgültig fällt
lässt er uns
mit Trauer 
mit Schmerz erfüllt zurück

auf dem letzten Weg
auf dem wir endgültig fallen

unser Leben 
ist der Mutter Erde
ein Lidschlag
ein Augenblick
nur ein Moment

Wladimir Michailowitsch Gundjajew

Dimitri Anatoljewitsch Medwedew / Wladimir Wladimirowitsch Putin / Wladimir Michailowitsch Gundjajew 

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