Dienstag, 10. November 2015

Der Berg

Der Berg



Sechsunddreißig Mal und hundert Mal 
hat der Maler jenen Berg geschrieben, 
weggerissen, wieder hingetrieben 
(sechsunddreißig Mal und hundert Mal) 

zu dem unbegreiflichen Vulkane, 
selig, voll Versuchung, ohne Rat, - 
während der mit Umriß Angetane 
seiner Herrlichkeit nicht Einhalt tat: 

tausendmal aus allen Tagen tauchend, 
Nächte ohne gleichen von sich ab 
fallen lassend, alle wie zu knapp; 
jedes Bild im Augenblick verbrauchend, 
von Gestalt gesteigert zu Gestalt, 
teilnahmslos und weit und ohne Meinung -, 
um auf einmal wissend, wie Erscheinung, 
sich zu heben hinter jedem Spalt. 


Aus: Der neuen Gedichte anderer Teil http://www.rilke.de/gedichte/der_berg.htm


Der Berg

Sah tausende von Seelen
an seiner Mutterbrust
sich durchs Leben quälen
für Muttermilch
dem Lebensdurst

Was er in seinem
Herzen birgt
dem Vulkane
allem Geröll
dem Getiere
die steile Wand hinab

Die Nacht
lässt er aus
seinen Füssen wachsen
sein Abbild
sein Sinnbild
ein Altare 
schon unseren Ahnen dort

Den Kindern
täglich Schauen
zum Gebete
Geheimnis Mysterium
unseren Lebens
zwischen Spalten wahrend
ohne Wort

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