Freitag, 14. November 2025

Die Hochzeit

 Männliche Ahnen

treffen sich zur Hochzeit

einer verstorbenen Nachfahrin


die Lebenden scharen sich

rundum die weiss gekleidete Frau


der verstobene Brautvater

und seine Brüder

mit unbekannten Gesichtern


er fragt seine Brüder 

und Anverwandten 

was deren Aufgabe

zeitlebens gewesen sei


weil sie nicht

verstanden werden wollen


im Beisein mit ihren Frauen

antworten sie 

in fremder Sprache 


der Stammhalter

soll sich dem Brauchtum 

und der Sitte 

von altersher unterwerfen 


im Tanze auf und ab

der verstorbene Vater

dreht siegesgewiss 

im aufrechten Gang

eine Runde


es soll zum Abschluss kommen

die Gemeinschaft 

mit dem Auftrag

auf den Punkt 

zu bringen


den Stammhalter

mit gemeinsamer

geistiger gemeinsamer Kraft

und Anstrengung 

ihn in die Verdammnis

zu schicken


er selbst legt einem

kleinen Kind

seinen gebastelten Kochhut

von seinem Haupt

auf seinen Kopf


da er nicht passt

zerreisst der Hut

das Kind trägt ihn

mit sich fort

Das Haupt

 Eine Frau

die sich förmlich

um alles bemüht

zieht alle Mitarbeiter

die den Vorgesetzten

hintergehen an sich


der Mann lässt

sie gewähren


er schüttelt

Mitarbeitern die Hand


damit erklärt

er sich als Haupt

dem sowohl

als auch

vor der Gemeinschaft

Anfang und Ende

 Es komm und geht, alles dem Ende zu.

Der Rest

 Der bleiche Strunk

eines Baumes

von unsichtbarer Hand

aus der Erde gehoben

Die Toten

 Zur Nacht

in einer dunklen Gegend

geht eine Männergruppe

einer ist unentschlossen

gegen einen Fremden los


sie wollen den Mann erschlagen

jener rafft sich auf

er tötet sie 

mit seinen Händen und Hieben


die Toten sterben nicht

so bleibt ihm

nur die Flucht


Ausweg

Es gibt keinen Ausweg

aus der Einsamkeit

der Gedanken

das Verharren

in der Ausweglosigkeit

bis die Arbeit ruft

nach innen und nach aussen

Die Stille

 Über den Alpen

das tiefe Tal im Süden

die gelben Wohnhäuser

trotzen in den Morgenhimmel

umsäumt von der Stille

der Gräber im Friedhof

Die Beratung

 Eine Gutschrift 
zweimal die zwölf 
für was sie steht 

zusammen mit einer Frau
die er nicht kennt 
besucht ein Mann
in einem vornehmen Haus 
um Rat 
in einer grossräumigen Stube

eine alte Dame 
sitzt im Sessel 
auf Tisch steht ein Brett
mit Goldstücken aufgereiht

einen Halbmond 
schiebt der Sohn 
der zugleich der Enkel ist
unter die Goldstücke 

die Frau unterhält sich
stundenlang über dies und das
mit der Dame
während der Mann
auf dem Stuhl eingeschlafen ist 

wie er erwacht 
erscheinen weitere Damen
aus naheliegenden Räumen
das weckt in ihm die Einsicht 
dass es Zeit ist aufzubrechen 

die Frau 
die das lange Gespräch 
mit der Dame geführt hat
darin erkennt er seine eigene Ehefrau

er nimmt einen selbst gestrickten 
braunen Pullover vom Kleiderhacken 
seine Frau sagt
dass er nicht mehr 
öfter getragen werden kann

der Enkelsohn knabbert 
die Stiege hinab an Süssigkeiten 
sein Grossvater schickt ihn zurück 
er ist nicht sicher
ob er seine Jacke vergessen hat

der Enkelsohn reicht ihm
eine einfache Jacke 
in einem Plastiksack herunter 
die nicht ihm gehört 

sie sind beide in Eile
die Grossmutter ist im Treppenhaus 
nicht mehr zu sehen

Donnerstag, 13. November 2025

Auf der Flucht

 Viele Menschen

warten vor dem Schalter der Eintrittsbehörde

ein Mann wird gerufen


die Frau hinter dem Schalter 

hat ein freundliches Lachen

auf einer bedruckten Papierserviette

gibt er seinen Namen ein


der Mann fährt mit einer alten Trambahn

in die Mitte der Stadt


es ist Nacht

sein Name wird ausgerufen

er weiss dass er die Einreisepapiere abholden sollte


der Mann versucht umzusteigen

da in der Grossstadt viele Tramlinien

in verschiedenen Richtungen fahren

weiss er nicht 

ob er auf das Anmeldeamt 

zurück finden kann

Prinzip

 Jede/er muss damit beginnen die universelle, unteilbare, absolute Menschenwürde, am Ort, da wo sie/er lebt, als das höchste Prinzip einhalten und mit Wort und Tat zu verteidigen wissen.

Herzflimmern

 Zwei Kleinkinder 
der Sohn älter als die Tochter 
die Ehefrau führt ihren Mann
am frühen Morgen in die Stadt 
zu einem Herzspezialisten 

die Frau bedient die Haustürglocke 
an einem eisernen Rundturm

die Türe öffnet sich 
der Chefarzt kommt 
die Wendeltreppe herab 
er hat den Kranken bereits erwartet 
in Eile steigt er wieder
hinauf in seine Praxis 

der Kranke muss eine
freihändige steile Treppe
die vor der Eingangstüre 
die sich selbst 
aus der Befestigung hebt 
überwinden 

der Oberarzt will dass der Kranke 
sich auf einen Zahnarztstuhl setzt
viele Instrumente hängen 
von der Decke herab

ein Assistenzarzt setzt ein Kleinkind 
nebenan auf einen Stuhl

er nimmt am Kopf des Kindes
mit der Katheter
der für den Kranken bestimmt war
eine Bluttransfusion vor

eigentlich war der Vorgang
mit Kortison zur Verabreichung 
für den Herzkranken bestimmt

der Oberarzt kommt herein
er wundert sich über deren Vorgehensweise 

eine grosse nackte weiss gepuderte Frau
geht an dem Stuhl des Kranken
in ein nahegelegenes helles Zimmer 
an ihm vorbei 

der Sohn
hinter ihm die Mutter und seine Schwester
ist wütend 

er wälzt sich auf dem Boden 
er schimpft 
nicht mal Tee gibt es
um den Durst zu stillen 

der Vater steigt vom Stuhl 
nimmt einen Wasserschlauch 
der von der Decke hängt
füllt damit einen Becher 

der Oberarzt kommt hinzu
nimmt einen zweiten Schlauch 
der viel handlicher ist
der Vater gibt dem Sohn
aus dem Becher zu trinken 

Enteignung

 Ein Gefäss mitten auf erhöhten 
grauen Feld 
gefüllt mit gelben gemahlenen Korn
das der Besitzer bereits gezahlt 
soll nun Allgemeingut werden 

Mittwoch, 12. November 2025

Das Fürchten

Angst ist eine subjektive Erfahrung, ein Ereignis, das sich nicht auf, Überzeugungen, Gedanken und Erinnerungen abstimmen lässt; den Menschen aus dem kollektiven Unbewussten überfallen kann. 
Wer das Fürchten noch nicht gelernt hat, sie/er gehe mit der Angst Hand in Hand; damit die Seele dem Suchenden, das Tor zur Hölle öffnet; sich im Drama der Seele, darin niemand der Autor des Geschehens ist, was sie/er beobachtet und erlebt, somit zu neuer Einsicht kommt.

Wahrheit

 Die Welt ist das was sie ist. In der Welt, da wo der Mensch für kurze Zeit verweilt, und meint, sie/er hätte die Wahrheit für sich, die Wahrheit an sich erkannt.

Im Chor

 Die Frau gleicht verwandschaftlich

einem Dorfvorsteher im Ruhestand

der das Bewahrende über alles stellt


er will die Frau davon überzeugen

dass sie einen fortschrittlichen Charakter hat

die Frau widerspricht ihm 


daselbst ihre Schwester 

in Paris reich sei

und rechtsextreme Politik betreibe 


der Altpräsident 

gesellt sich im Gespräch dazu


er stimmt ein altes Lied 

von Wehmut Schmerz 

geraubter Liebe und Leid an

er findet den Ton nicht


ein Besucher korrigiert ihn

ein Dirigent ist gleich zur Stelle

er übernimmt und führt

einen unsichtbaren Chor

bis dem Passanten 

seine Stimme versagt

Dienstag, 11. November 2025

am Strand

 Der geöffnete Regenschirm

steht auf seinem Dach

versteinerte Muscheln

die sich von Hand öffnen lassen

nicht genug

 Ereignisse des Tages haften 
sich über Jahrzehnte 
in Erinnerungen und Gedanken fest


der Winter hat sich bis heute 

es ist Herbst

noch nicht getraut

den Frost auf die Tischplatte 

bei offenem Fenster zu legen


der Tod beginnt beim ersten Atemzug

auf ein Ende

ob kurz oder lang zu warten 

Leben und der Tod

liegt nicht in der Menschenhand 


das Feld der Wald schweigt
dem Hochmut der 
nimmermüden Geschäftigkeit entgegen 

der Zweifler in den Menschen 
hütet jede Schattenecke
drinnen und draussen wie bares Gold

niemand traut sich in Höllenabgrund
hinab zu steigen
der Glaube an das Gute
verhindert den Schatz zu heben
aus tiefstem Grund

das Tor zur Seele
steht allen offen
auch wenn das Licht dem Kern
die Offenbarung aus dem Traum
nicht jedem Menschen gut genug

Die Quelle

 Gott in uns, die Quelle des Lebendigen; bevor der Mensch, und danach, das Lichte der Welt erblickte.

Montag, 10. November 2025

Niemand

 Niemand ist und wird vollkommen. Die Rato benimmt sich wie ein kleines Kind, als sei es der Schöpfer aller Dinge.

Die Flucht

 Nach dem Bombenhagel 
der Nacht
sind zwei schwarz gekleidete Kinder 
an der Hand einer Frau 
aus dem Untergrund 
in den Westen geflüchtet

zum Abschied

 Eine schwarzhaarige lebensfrohe 
und eine blonde Frau 
sind auf Männersuche 

in der Begegnung
zu einem Mann 
der sich nach Zärtlichkeit sehnt 

die Frauen sind unschlüssig 
er ist nicht ihre Wahl 

zum Abschied 
der Mann sitzt am Boden 
lehnt er seinen Kopf
an die Hüfte der blonden Frau
sie sitzt auf einem Stuhl
sie lässt ihn gewähren 

Sonntag, 9. November 2025

Die Weltanschauung

 Man gibt es nicht. Die Weltanschauung der Eltern kann schon dem Kleinkind zum Problem werden. Der Kern, der von der Seele umfasst, hat in jedem Menschen zur Einsicht im Traum tagtäglich etwas Neues, bis zum Ende des Lebens vor.