Die Botschaft ist klar und bei den Vereinten Nationen angekommen: Es ist der falsche Weg und riskant, für den Schutz der Artenvielfalt bis zum Jahr 2030 öffentlichkeitswirksam 30 Prozent der Erde in Schutzgebiete zu verwandeln. 65.014 Personen haben daher eine Petition gegen diesen Plan „30 bis 30“ unterschrieben. Wir haben sie am Donnerstag während der Weltnaturkonferenz in Montréal übergeben.
„30 Prozent der Erde unter Schutz zu stellen, klingt verlockend einfach – und ist brandgefährlich. Dahinter steckt die Theorie, dass Natur nur geschützt werden kann, wenn man Menschen fernhält. In der Praxis: wenn man die örtliche Bevölkerung vertreibt“, erklärt Marianne Klute, Vorsitzende von Rettet den Regenwald e.V.
„300 Millionen Männer, Frauen und Kinder wären von „30 by 30“ bedroht, viele von ihnen Angehörige indigener Völker. Unter der Vertreibung im Namen des Naturschutzes würden ausgerechnet die besten Regenwaldschützer:innen leiden. Denn die Natur ist dort, wo Indigene Verantwortung tragen, in einem besseren Zustand als anderswo. Ob Schutzgebiete der Natur etwas bringen, ist fraglich. Obwohl ihre Zahl geradezu explodiert ist, bricht die Artenvielfalt ein. Statt auf zweifelhafte, überkommene Konzepte wie streng bewachte Nationalparks zu vertrauen, muss diese Konferenz die Rechte Indigener stärken.“
Schutzgebiete wie Nationalparks folgen häufig dem überkommenen Konzept des „Festungs-Naturschutzes“, wonach Mensch und Natur strikt getrennt werden sollten. Das könnte zum größten Landraub der Geschichte werden, der zudem wenig zum Artenschutz beiträgt.
Statt einer Fixierung auf Schutzgebiete fordern die Organisationen von den 196 Staaten der Biodiversitäts-Konvention die Sicherung der Rechte indigener Völker. Denn die Natur ist dort, wo Indigene Verantwortung tragen, in einem besseren Zustand als anderswo.
Die Exekutivsekretärin der Biodiversitäts-Konvention, Elizabeth Maruma Mrema, schloss sich während der Petitionsübergabe einigen Argumenten an. Auch sie sieht in Indigenen die wahren Hüter der Natur. Sie müssten stärker beteiligt werden, auch an Konferenzen wie der COP15. „Ich hätte gern mehr von ihnen hier gesehen“, sagte sie.
Das 30-Prozent-Ziel dürfe nicht isoliert verfolgt werden und ergebe nur mit vielen anderen Maßnahmen Sinn. Elizabeth Maruma Mrema sagte zu, bei ihren Gesprächen auf die Risiken einer einseitigen Betonung von Schutzgebieten hinzuweisen. „Ich werde die Botschaft weitertragen“, sagt sie.
Die Petition wurde von 15 Umweltschutz- und Menschenrechtsorganisationen aus Afrika und Asien mitgetragen und richtet sich an die UN, Bundeskanzler Olaf Scholz und dieUN-Mitgliedsstaaten.
„Der Plan, bis 2030 30 Prozent der Erde als Schutzgebiete auszuweisen, ohne die gewohnheitsmäßigen Landrechte der Ureinwohner zu berücksichtigen, könnte das Verhältnis zwischen Naturschutz und Natur zerstören. Wenn Sie die Ureinwohner vertreiben, (…) zerstören Sie die Ökologie", sagt Pacifique Mukumba von der Indigenenorganisation CAMV (DRK).
Der Plan „30 by 30“ bedeutet, wenn er genehmigt wird, eine Katastrophe für den weltweit verbliebenen Regenwald“, warnt Dr. Martins Egot, Exekutivdirektor der Organisation Development Concern in Nigeria.
„Wenn man sich intensiv mit der Natur und der biologischen Vielfalt beschäftigt, sieht man: Indigene Gemeinschaften pflegen traditionelles Wissen und Praktiken, die für die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt von großer Bedeutung sind. Das ist etwas, was das Konzept, 30 Prozent des Planeten unter Schutz zu stellen, anscheinend nur aus politischer Rücksichtnahme ablehnt“ sagt Maxwell Atuhura, Tasha Research Institute Africa (TASHA) Uganda.
„Dieser zukünftige Landraub muss gestoppt werden. In unserem Land wird ein solches Projekt die indigenen Völker und die lokalen Gemeinschaften in die absolute Unsicherheit treiben. Dieses makabre Projekt muss unbedingt bekämpft werden“, sagt Ladislas Désiré Ndembet von der Organisation Synaparcam aus Kamerun.
„Wenn dies umgesetzt wird, werden die Eingeborenen das Recht auf den Wald verlieren, in dem sie seit Generationen als Eingeborene leben! Auch „traditionelle" Wirtschaftsformen wie Wanderfeldbau oder Hirtennomadentum werden hier nicht mehr akzeptiert“, kritisiert Matek Geram, von der Indigenenorganisation SADIA aus Malaysia.
„Indigene Völker leben seit Jahrhunderten im Einklang mit der Natur. Sie sind die Hüter vieler der verbliebenen Wälder und der biologischen Vielfalt der Welt. Daher müssen indigene Völker in den Mittelpunkt eines jeden Schutzplans gestellt werden, auch in Schutzgebieten“, sagt Mardi Minangsari, Exekutivdirektorin der Organisation Kaoem Telapak aus Indonesien.
Rettet den Regenwald e.V. ist während der gesamten COP 15, die bis zum 19. Dezember dauert, in Montréal und verfolgt die Verhandlungen zum neuen Weltnaturabkommen.
Zu den Organisationen, die hinter der Petition stehen, gehören WALHI Süd-Sulawesi, WALHI Papua, Aceh Wetland Foundation, Pusaka, Save Our Borneo, Kaoem Telapak (alle sechs Indonesien), Devcon, WATER, RRDC (alle drei Nigeria), RIAO-RDC, CAMV (beide Demokratische Republik Kongo), Synaparcam (Kamerun), TASHA (Uganda), TEST (Tansania), SADIA (Malaysia).